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Heilig kam ich in die Welt

Heilig kam ich in die Welt,
Heilig und voll guten Willens,
denn ich war ein Kind.
Gutes sah ich, nur Gutes.
Gutes wollte ich tun, nur Gutes.
Und ich tat das Gute.
Die Welt aber ist Widerstand.
Dadurch ward das was ich tat, nicht so wie ich wollte, sondern blieb unvollkommen.
So blendet die Welt sich und mich, dass nicht mehr zu sehen ist das Gute, sondern nur noch das Unvollkommene.
Ich schämte mich.
Ich sah, dass das was ich tat, nicht gut war.
Ich schämte mich meiner Tat
und ich schämte mich meiner.
Denn es kann nicht gut sein, wer Unvollkommenes tut.
Das Unvollkommene ist nicht gut, es ist böse.
So erkannte ich, dass ich nicht gut bin, sondern böse.
Und ich schämte mich und verbarg mein Inneres - das gut sein wollte, aber unvollkommen wirkte - mit meinem Äusseren - das unvollkommen war, aber gut schien.
Damit kam die Lüge in mich, die gut erscheint, aber böse ist.
Die Lüge begleitete mich fortan.
Und fortan war mein Handeln nicht mehr eines, sondern zweigeteilt.
So lebte ich fort, in der Welt und mit der Welt, die auch zweigeteilt ist.
Ich lebte lange Zeit so fort.
Manchmal begegnete ich meiner Scham.
Und ich fragte mich, wo mein Gutes geblieben sei.
Dann drängte manchmal, ganz zaghaft zwar, ganz selten nur, eine Ahnung meines heiligen Ursprungs herauf.
Die Ahnung meiner selbst.
Und eine Sehnsucht macht sich bemerkbar.
Die Sehnsucht, wieder ganz,
wieder gut,
wieder heilig zu werden.
Die Welt versteht das nicht.
Die Welt verdrängt und übertönt diesen Wunsch.
Der Wunsch aber ist ein starker Wunsch.
Er lässt sich beiseite schieben, aber er lässt sich nicht auslöschen.
Er drängt mich manchmal in der Nacht, ohne dass ich davon weiss.
Manchmal flammt er auf, wenn ich einem Kind in die Augen schaue.
Manchmal wird er angerührt, wenn mir jemand vertraut.
Manchmal beschämt er mich, wenn mir jemand vertraut.
Und dann weiss ich, dass es nicht verloren ist,
dass es erreichbar ist,
ja, dass mein ganzes wahres Streben 
nichts anderes ist, als die Überwindung der Unvollkommenheit durch mein heiliges Inneres.
Das ist wahre Freiheit.
Das ist Liebe. 



 

Verstehen

Mit welcher Himmelskraft
musstest du
mein Bruder
meine Schwester
gelitten und bewahrt
und durchgetragen haben
bedroht durch dunkle Welt
dass heute noch
dein Auge leuchtet?

Was musstest du
meine Schwester
mein Bruder
an Himmelsgaben
alles lassen
dass du dich
so verschliessen musst
das letzte Gut zu wahren.

Jeder Mensch
bringt anfangs zur Welt
das offene Leuchten
seiner Kinderaugen
voller Vertrauen
gutem Willen
und sprühender Liebe.

Wenn du heute
in ein Menschenauge blickst
und siehst Misstrauen
Angst und Verbitterung nur
dann bedenke
was dieses Menschenkind
an Bitterkeit, Bedrohung
und Erniedrigung
auf seinem Lebensweg
erleiden musste.

Indem du das bedenkst
findest du den Keim
der das Leben, die Freude
die Liebe wieder erweckt
und segnend alte Wunden
zu heilen beginnt
in dir und in mir
und in jedem Menschenbruder
jeder Menschenschwester.